Free Sugar
Freiheit für unseren geflüchteten Freund Sugar, der bei einer rassistischen Polizeikontrolle in Innsbruck verhaftet wurde und nun in Wien gefangen ist.
Medizinische Situation des am Montag 18.1. von Abschiebung bedrohten Jungen
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Am Morgen des 16.1. wurde in Wien eine Mutter und ihre zwei Kinder verhaftet und in Abschiebehaft gesteckt. Sie befinden sich derzeit in der Zinnergasse 29a, dem Familienabschiebeknast.
Alle drei sollen per Linienflug am Montag den 18.1. um 14 Uhr nach Ägypten abgeschoben werden. Der 10-jährige Sohn leidet an spastischen Lähmungen. Deshalb ist er dringend auf medizinische Versorgung angewiesen, die er in Ägypten nicht bekommen wird. Bereits jetzt wird sie ihm in Haft hier in Österreich verweigert. Er hat starke Schmerzen und kann kaum gehen.
Die Mutter flüchtete nach Österreich, um ihrem erkrankten Kind eine adäquate medizinische Betreuung und damit eine menschenwürdige Zukunft zu ermöglichen. Auf der flucht musste sie den Jungen über weite Strecken sogar auf Händen tragen. All diese Errungenschaften zu Gunsten der Gesundheit dieses jungen Menschen werden nun durch die Deportation zerstört. In Ägypten hat die Familie weder eine Unterkunft noch bekommt sie dort familäre Unterstützung. Es erwartet sie nicht nur absolute Perspektivlosigkeit, sondern auf Gefahr hin, dass der Junge an Corona erkranken könnte – auch Lebensgefahr! Er gehört zur Corona-Risikogruppe und Österreich hat für Ägypten Reisewarnung der Stufe 5 ausgesprochen.
Im Anhang der Bericht einer Physiotherapeutin zur Krankheit des Kindes, seines Therapiebedarfs und den Konsequenzen des Verlusts der Unterstützung. Ausserdem drei Berichte des roten Kreuz zur Situation des Jungen.

Physiotherapeutisches Schreiben

Die infantile Cerebralparese (ICP) ist eine Bewegungsstörung (verursacht durch eine frühkindliche Hirnschädigung), die einen Menschen das ganze Leben lang begleitet. Wird nichts unternommen, um die motorischen Fähigkeiten zu fördern, nehmen diese sukzessive ab und das Ausführen von Bewegungen wird immer schwieriger.

Ich begleite als Physiotherapeutin sowohl Kinder und Jugendliche wie auch Erwachsene mit ICP. Die meisten Patient*innen mit dieser Beeinträchtigung brauchen mindestens einmal – im besten Fall zweimal – wöchentlich Physiotherapie. Weiters wird in den meisten Fällen Ergotherapie sowie Logopädie, oft auch Hippotherapie in Anspruch genommen.

In diesen Einheiten wird vor allem daran gearbeitet, die Muskulatur zu erhalten und ansteuern zu lernen, die Spastizität im Rahmen zu halten und dadurch an Bewegungsausmaß zu gewinnen und mit diesen Voraussetzungen folglich Aktivitäten des alltäglichen Lebens zu erlernen bzw. erhalten. Bewegungen wie Aufstehen und Niedersetzen, Gehen, Sprechen oder das Halten einer Gabel ist für viele kaum oder gar nicht möglich. Durch fehlendes Training in Form von diversen Therapien ist es Menschen mit ICP nicht möglich, Aktivitäten des täglichen Lebens eigenständig durchzuführen.

In meinen Augen ist daher es unbedingt notwendig, vom Kindesalter an wöchentlich mindestens ein bis zwei Stunden Physiotherapie in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich empfehle ich weitere Therapien und den meisten Fällen ist auch eine Hilfsmittel- und Orthesen Versorgung notwendig. Von einem angepassten Rollstuhl (der der Größe und den Ansprüchen des Kindes immer wieder angepasst werden muss) über Fußheberorthesen oder auch gewissen Gehstöcken muss eine fortlaufende Untersuchung und Anpassung dieser Hilfsmittel stattfinden. Je nach Schweregrad der Spastizität sind auch Operationen der Muskeln, Sehnen und Gelenke anzudenken oder andere Therapien – wie z.B. das Lösen der Muskelspannung durch Botox-Injektionen indiziert (die der Junge auch jetzt schon zweimal pro Jahr erhält).

Infantile Cerebralparese bedarf einer lebenslangen intensiven – sowohl zeit- als auch kostenintensiven – Betreuung, sowohl von therapeutischer als auch ärztlicher Seite.

Der Sohn hat mit seinen erst zehn Jahren gute Chancen, die Erkrankung möglichst unter Kontrolle zu halten, allerdings nur mit Hilfe von diversen Therapien. Daraus ergibt sich eine dringende Indikation und Empfehlung, wöchentliche Physiotherapie, deren Kosten in Österreich durch die Krankenkasse zur Gänze übernommen werden, in Anspruch zu nehmen. Als alleinerziehende Mutter wird es Frau Abdelghany schwer haben, für die Therapie ihres Sohnes in Ägypten aufzukommen. Ohne finanzielle Mittel wird das Kind keine für ihn gerechte Therapien, keine angepassten Orthesen oder einen Rollstuhl erhalten können. Dies bedeutet Rückschritte für seine Entwicklung, die im Laufe der Zeit immer stärker werden. Er wird auf die Unterstützung seiner Mutter fortwährend angewiesen sein. Basierend auf Diskriminierung durch die Gesellschaft und unzugänglichen oder schwer erreichbaren Bildungsinstitutionen (Barrierefreiheit MUSS gegeben sein) wird es für den Jungen auch nicht möglich sein, in Ägypten angemessene Bildung zu erhalten und seine Selbständigkeit im Alltag zu forcieren bzw. überhaupt zu erlangen.
Als Physiotherapeutin sehe ich deshalb die Fortsetzung der medizinischen Betreuung in Österreich als ausschlaggebend für die weitere Entwicklung von des Buben.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Ella Federmair, BSc (MedTeam, 1030)

Email: efedermair@medteam.at

Tel. 0650-9149793

Bericht Rotes Kreuz Nr 1

Bericht rotes Kreuz Nr 2

Bericht Rotes Kreuz Nr 3

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