Seit klar ist, wo Sugar sich in Schubhaft befindet, gehen ihn regelmässig solidarische Menschen besuchen. Dies gestaltet sich keineswegs einfach, obschon es Besuchsrecht gibt und Sugar keine andere Straftat begangen hat, als am falschen Ort zur Welt gekommen zu sein.*
Besuchszeiten sind nur zweimal die Woche und es dürfen nur jeweils zwei Personen (und die nur zusammen) eine inhaftierte Person im Polizeianhaltezentrum besuchen. Sugar hat ausser den von den Wärter:innen reglementierten Telefonanrufen, die er nur bei genügend Guthaben tätigen kann, keine Möglichkeiten mit Menschen ausserhalb des Gefängnisses in Kontakt zu treten. Dies produziert Isolation und Verzweiflung. Nur Anwält:innen oder ihre Kanzleimitarbeiter:innen können zu allen Uhrzeiten den Gefangenen Besuch abstatten, diese verlangen natürlich Geld für ihre Unterstützung oder sind – sollten sie unentgeltliche (also vom Staat organisierte) Rechtsberatung tätigen – im Normalfall entweder unglaublich überlastet oder schlichtweg unmotiviert. Die Form, in der mit Sugar und den anderen eingesperrten Personen kommuniziert werden kann ist befremdend: zwischen Häftling und Besucher:in ist eine Scheibe, es kann nur über ein Telefon gesprochen werden und die Hygiene – welche gerade in Zeiten einer Pandemie unabdinglich wäre – lässt zu wünschen übrig. Weder genügend Desinfektionsmittel noch Tücher um Hörer oder Scheibe zu reinigen. Es ist ein Sicherheitsabstand von einem Meter zu wahren, der allerdings unter den Besucher:innen kaum gewährleistet werden kann und auch von den Polizist:innen nicht eingehalten wird. Dies steht im Widerspruch dazu, dass die Gefangenen legitimiert durch den Vorwand der Behörden Corona eindämmen zu wollen, erhöhte Isolation erleben und weiterhin keine Tischgespräche, Umarmungen oder zumindest ein freundschaftlicher Händedruck mit der gefangenen Person möglich ist. Das bleibt verboten.
Jeder Besuch wird vermerkt, die Pässe der Besucher:innen kopiert, Kameras die jeden Winkel des Besucher:innenraums filmen, die Polizist:innen sind ständig im Raum anwesend und kommen ungefragt in die Nähe, die Besucher:innen der anderen Häftlinge sind ebenfalls in Hörweite – von Privatsphäre kann keine Rede sein. Auch das Einlassprozedere dauert ungewöhnlich lange, umständliche Bürokratie verlangsamen alles: Papiere müssen unterzeichnet werden, das eben abgegebene Geld erreicht den inhaftierten Mensch erst in einer Woche, die Telefonkarte kann dann wiederum erst Tage später aufgeladen werden und so fort. Hier findet ihr auch noch eine genauere Angabe zu den Regeln/Pflichten der sich in Schubhaft befindenden Personen:
Diese Woche haben solidarische Menschen aus Innsbruck Sugar besucht und ihm seine Kleidung gebracht – da er ja untertags und bei warmem Wetter von der Polizei aufgegriffen wurde und nie die Option hatte, sich Sachen für den langen Gefängnisaufenthalt zusammenzupacken – fehlten ihm diese. Sugar geht es verständlicherweise nicht gut, er berichtet er könne kaum schlafen. Er erzählt, ständig von einem zum anderen Zimmer siedeln zu müssen und dass die Wärter:innen die Gefangenen schlecht behandeln würden. Sie seien unfreundlich und würden den Inhaftierten das Leben schwer machen. Es gäbe sinnlose Regeln und lange Wartezeiten für alles. Zudem bekämen sie kaum Informationen, vieles sei sehr unklar und dies führe oft zu Streit.
Zumindest erzählt Sugar, sich einigen Menschen angenähert zu haben – diese befänden sich in einer ähnlichen Situation wie er. Sie würden zusammen essen und sich die Zeit (welche sehr langsam vergehe) vertreiben.
Die Innsbrucker:innen erzählen Sugar ein wenig, was draussen so passiert ist und überbringen ihm die Nachricht, dass solidarische Menschen aus Innermanzing ihm eine Wohnmöglichkeit mit Meldeadresse organisiert haben. Dort wohnt bereits ein Freund von Sugar, dies freut ihn sehr und zum ersten Mal während des Besuch scheint er zu lächeln.
Zudem richten sie Sugar viele Grüsse und allgemeines Vermissen aus Innsbruck aus, wo er bereits kleine Freundschaften begonnen hatte.
Sugar beschäftigt sehr, dass obwohl der Anwalt sich positiv bezüglich seiner Zukunft in Österreich (Bleiberecht, Duldung sowie Entlassung aus der Schubhaft) äusserte, er weiterhin auf unbestimmte Zeit eingesperrt ist und seinen Zustand selbst nicht beeinflussen kann sondern wie ein Schicksal hinnehmen muss.
Nach 30 Minuten beendet ein Polizist das Gespräch und Sugar muss wieder zurück in seine Zelle. Die Menschen aus Innsbruck verlassen den Knast mit schweren Gefühlen. Sie sind weisse Österreicher:innen und frei – Sugar ist Nigerianer und sitzt dafür im Gefängnis. Und auch wenn er frei kommt – all die anderen bleiben gefangen, wenn sich die Umstände nicht grundlegend verändern.
Foto: Demo gegen die Schubhaftknäste und Rückkehrzentren in Wien vor dem PAZ Hernalser Gürtel